Hans Siemsen

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Hans Siemsen (* 27. März 1891 in Mark bei Hamm; † 23. Juni 1969 in Essen) war Schriftsteller und Journalist.

Leben

Hans Siemsen wuchs in einer evangelischen Pfarrersfamilie auf mit den Geschwistern Paula (1880–1965; seit 1911 verheiratet mit dem Mediziner und Autor Karl Eskuchen), Anna (1882–1951; Pädagogin, Politikerin, Autorin), August (1884–1958; Pädagoge, Politiker, Journalist, Publizist) und Karl (1887–1968; Jurist, Politiker)[1]. 1901 zog die Familie nach Osnabrück. Nachdem er eine Lehre als Buchhändler absolviert hatte, begann Hans Siemsen 1912 in München Kunstgeschichte zu studieren. 1913 ging er nach Paris, wo er in den Künstlerkreisen des «Café du Dôme» verkehrte. Ab 1914 veröffentlichte er Beiträge in der Zeitschrift Die Aktion, und ab 1915 gehörte er der Redaktion der Zeitschrift Zeit-Echo an. Im Herbst 1916 wurde er zum Militärdienst einberufen. 1917 nahm er an Kämpfen an der Westfront teil; er wurde verschüttet und verbrachte längere Zeit in einem Lazarett. In der Endphase des Ersten Weltkrieges entwickelte sich Siemsen zum Sozialisten und Anhänger der Russischen Revolution.

Ab 1919 lebte Siemsen als freier Schriftsteller in Berlin. Er wurde Mitarbeiter der Weltbühne und leistete vor allem auf dem Gebiet der Filmkritik Pionierarbeit. Während der 1920er Jahre war er im Kunsthandel tätig und pflegte Kontakte zu zahlreichen Künstlern der Weimarer Republik. Siemsen war außer für die Weltbühne auch für weitere Berliner Zeitungen und das satirische Blatt Uhu tätig. 1930 unternahm er eine sechswöchige Reise als Reporter durch die Sowjetunion; ab 1931 war er Mitglied der von ihm mitbegründeten linksoppositionellen Partei SAPD. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahre 1933 entging er durch einen Zufall der Verhaftung. Er hielt sich weiter in Berlin auf und ging erst 1934 ins Exil nach Paris.

Während der folgenden Jahre im Pariser Exil arbeitete er u. a. für den kommunistischen Verleger Willi Münzenberg. 1935 gab er anonym von Frankreich aus den im Berliner Rowohlt Verlag erscheinenden Nachlass seines Freundes Joachim Ringelnatz heraus. Ab 1936 schrieb er Beiträge für die deutschsprachige Pariser Tageszeitung; 1937 wurde er auf einer Tagung linker Exilautoren in den Vorstand des Schutzbundes Deutscher Schriftsteller gewählt. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stellte er den Antrag auf ein Visum zwecks Einreise in die Vereinigten Staaten von Amerika. Er wurde jedoch kurz darauf im französischen Lager Colombes interniert. 1940 gelang es ihm, der Internierung zu entkommen, unterzutauchen und nach Sanary-sur-Mer zu fliehen. 1941 hielt er sich in Marseille auf. Erneute Bemühungen um ein Visum für die USA waren inzwischen durch die Mithilfe der von Hubertus Prinz zu Löwenstein gegründeten American Guild for German Cultural Freedom erfolgreich gewesen, so dass Siemsen über Portugal in die USA gelangte.

In Amerika arbeitete Siemsen erneut als Journalist für Presse und Rundfunk. Persönliche Probleme, wie seine Alkoholsucht und die ständige Geldnot, von denen bereits das französische Exil geprägt gewesen war, nahmen immer mehr überhand. Siemsen lebte in ausgesprochen ärmlichen Verhältnissen, fühlte sich isoliert und vereinsamte zunehmend. Ab 1946 hatte er den dringenden Wunsch, nach Europa zurückzukehren, dessen Erfüllung sich jedoch durch Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Pass und Visum verzögerte. 1948 gelangte er schließlich nach Frankreich, und ab 1949 lebte er wieder in Deutschland, anfangs bei seinem Bruder Karl Siemsen in Düsseldorf. Hans Siemsen war nicht mehr in der Lage, schriftstellerisch zu arbeiten und galt inzwischen als Pflegefall. Er starb in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt in Essen.

Das Werk von Siemsen umfasst Film- und Kunstkritiken, politische Essays, erzählerische Werke und Gedichte. Wie kaum ein anderer seriöser deutscher Autor in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Siemsen bis heute für seine Feier der Schönheit von Knaben und jungen Männern in lyrischen und essayistischen Skizzen und Erzählungen bekannt geblieben, wie sie viele seiner Werke bestimmt. Während er in den Zwanzigerjahren vor allem wegen seiner brillanten journalistischen Arbeiten bekannt und geschätzt war, bedeuteten die Exiljahre für ihn einen steilen persönlichen wie literarischen Abstieg, so dass er bereits vor seinem endgültigen Verstummen nach 1945 weitgehend in Vergessenheit geraten war.

Seine homosexuelle Orientierung beeinflusste sein Werk auf vielfältige Weise: Als Journalist engagierte er sich für die Abschaffung des § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Als Erzähler schrieb er erotisch-zarte „Jungensgeschichten“, die im Tigerschiff veröffentlicht wurden. Aufgrund dieser latent homosexuellen Schriften, aber auch wegen seiner politischen Stellungnahmen (z. B. gegen die Todesstrafe), musste er Hitler-Deutschland verlassen. Im Exil schrieb er den Roman Die Geschichte des Hitlerjungen Adolf Goers, der zu unterschiedlichen Einschätzungen über Siemsens Bekenntnis zur Homosexualität führte. Während Verleger Michael Föster (Vorwort in Schrifte1 1986) den Roman als „antifaschistische Kampfschrift“ würdigte, resümierte Armin Nolzen „Siemsens Roman ist von der Annahme durchzogen, dass die Hitlerjugend ein Hort der Homosexualität gewesen sei, ja, unterschwellig wird der Nationalsozialismus in toto als Bewegung Homosexueller denunziert. Deshalb hat man Siemsen, der selbst homosexuell war, bisweilen ‚schwulen Selbsthass‘ nachgesagt“.[2]

Umfangreiches Text-, Photo- und Tonmaterial wurde vom Verleger Michael Föster gesammelt und bearbeitet und führte in den 1980er Jahren zur Herausgabe der „Schriften“. Nach Fösters Tod wurden die Materialien an das „Schwule Museum Berlin“ weitergereicht. 1995 erarbeitet eine Gruppe schwuler Männer aus Osnabrück (langjährige Heimatstadt Siemsens) die erste und bislang einzige Ausstellung („Hans war gut!“) über das Leben und Werk Siemsens, um die Erinnerung an diesen bemerkenswerten Autor wach zu halten. Siemsen wurde neben Eltern und Geschwistern auf dem Hasefriedhof in Osnabrück beigesetzt, wo eine Gedenktafel an ihn erinnert.

Werke

  • Auch ich, auch du. Leipzig 1919
  • Wo hast du dich denn herumgetrieben? München 1920
  • Die Geschichte meines Bruders. Stuttgart [u. a.] 1923
  • Das Tigerschiff. Frankfurt a.M. 1923
  • Charlie Chaplin. Leipzig 1924
  • Paul ist gut. Stuttgart 1926
  • Verbotene Liebe., Berlin 1927
  • Rußland, ja und nein, Berlin 1931
  • Die Geschichte des Hitlerjungen Adolf Goers. Düsseldorf 1947; Erstausgabe in englischer Sprache: Hitlers Youth, London 1940
  • Schriften. Essen
    1. Verbotene Liebe und andere Geschichten. 1986
    2. Kritik – Aufsatz – Polemik. 1988
    3. Briefe von und an Hans Siemsen. 1988
  • Hans-Siemsen-Lesebuch. Zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Dieter Sudhoff. Köln 2003 [Nylands Kleine Westfälische Bibliothek 3] lwl.org
  • Nein! Langsam! Langsam! Gesammelte Erlebnisse, Feuilletons. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Dieter Sudhoff. Berlin 2008

Herausgeberschaft

  • Rudolf Levy: Die Lieder des alten Morelli, Düsseldorf [u. a.] 1922

Literatur

  • Dieter Sudhoff: Die literarische Moderne und Westfalen. Besichtigung einer vernachlässigten Kulturlandschaft. Aisthesis-Verlag, Bielefeld 2002, ISBN 3-89528-347-9 (Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen 3; Zugleich: Paderborn, Univ., Habil.-Schr., 2001), S. 452–505.
  • Dieter Sudhoff: Hans war gut. Eine Erinnerung an Hans Siemsen (1891–1969). In: Literatur in Westfalen. Beiträge zur Forschung 8, 2006, S. 133–186.
  • Dieter Sudhoff: Nachwort. In: Hans Siemsen: Nein – Langsam! Langsam! Gesammelte Erlebnisse, Feuilletons. Verlag Das Arsenal, Berlin 2008, ISBN 978-3-931109-53-0, S. 155–165.
  • Brigitte Bruns: Hans Siemsen. Filmkritiker. edition text + kritik, München 2012, ISBN 978-3-86916-184-6, Film & Schrift, 15, hrsg. v. Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen, Veröffentlichung der Stiftung Deutsche Kinemathek, S. 11–150

Weblinks

Quelle

    Wikipedia de klein.jpg     Quelle für diesen Artikel: de.wikipedia.org
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Einzelnachweise

  1. Vgl. Christine Mayer , Siemsen, Anna Marie Emma Henni, verheiratet Vollenweider, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 381-383.
  2. S. Zur Neiden (Hrsg.): Homosexualität und Staatsräson