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Das Kaufhaus '''ter Veen''' (eigentlich ''Kaufhaus für Jedermann Egbert ter Veen GmbH'') war ein Traditionskaufhaus in der Fußgängerzone von Hamm.
Das Kaufhaus '''ter Veen''' (eigentlich ''Kaufhaus für Jedermann Egbert ter Veen GmbH'') war ein Traditionskaufhaus in der Fußgängerzone von Hamm.
Es überlebte 112 Jahre, obwohl mit [[Kaufhalle]], [[Kaufhof]] und [[Horten]] zwischenzeitlich drei größere Konkurrenten in der [[Bahnhofstraße]] ter Veen das Geschäft streitig machten. ''ter Veen'' wurde schließlich nur um ein Jahr von Kaufhof überlebt – die übrigen Konkurrenten gaben vorher auf.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Der erste Besitzer des Geschäftes war Siegfried Richter, [[Bahnhofstraße]] 13. Er betrieb dort seitdem [[16. September]] [[1907]] ein Spezialgeschäft ''guter Haushaltswaren, Galanterie-und Luxuswaren''. <ref> vgl. Wiederaufbau in Etappen. Im Zweiten Weltkrieg wird das Kaufhaus komplett zerstört - Töpfe aus Waffen. Westfälischer Anzeiger vom 1. November 2007 </ref> Die Familie Richter gehörte der jüdischen Gemeinde in Hamm an. Siegfried Richter starb schon früh, im Alter von 44 Jahren, im Jahr [[1928]]. Sein Grabstein befindet sich heute auf dem jüdischen Teil des [[Ostenfriedhof]]s. Siegfried Richters Ehefrau Selma und die Kinder Lotte und Grete verließen [[1933]] die Stadt Hamm.  
Der erste Besitzer des Geschäftes war Siegfried Richter, [[Bahnhofstraße]] 13. Er betrieb dort seit dem [[16. September]] [[1907]] ein Spezialgeschäft ''guter Haushaltswaren, Galanterie-und Luxuswaren''.<ref>vgl. Wiederaufbau in Etappen. Im Zweiten Weltkrieg wird das Kaufhaus komplett zerstört Töpfe aus Waffen. Westfälischer Anzeiger vom 1. November 2007</ref> Die Familie Richter gehörte der jüdischen Gemeinde in Hamm an. Siegfried Richter starb schon im Alter von 44 Jahren im Jahr [[1928]]. Sein Grabstein befindet sich heute auf dem jüdischen Teil des [[Ostenfriedhof]]s. Siegfried Richters Ehefrau Selma und die Kinder Lotte und Grete verließen [[1933]] die Stadt Hamm.  


[[1934]] wird auf Antrag der Rheinisch-Westfälische Boden-Credit-Bank in Köln ein Antrag beim [[Amtsgericht]] in Hamm auf Anordnung der Zwangsverwaltung wegen 16.750 RM rückständiger Zinsen gestellt. Die Grundstücke [[Bahnhofstraße]] 13 und [[Gasstraße]] 1 sollen beschlagnahmt werden. Als Verwalter wird der Rechtsanwalt Stähler aus Hamm bestellt. Diesem Antrag wird von dem Gericht stattgegeben.
[[1934]] wird auf Antrag der Rheinisch-Westfälische Boden-Credit-Bank in Köln ein Antrag beim [[Amtsgericht]] in Hamm auf Anordnung der Zwangsverwaltung wegen 16.750 RM rückständiger Zinsen gestellt. Die Grundstücke [[Bahnhofstraße]] 13 und [[Gasstraße]] 1 sollen beschlagnahmt werden. Als Verwalter wird der Rechtsanwalt Stähler aus Hamm bestellt. Diesem Antrag wird vom Gericht stattgegeben.


Rechtsanwalt Stähler nimmt Gespräche mit dem Testamentsvollstrecker des verstorbenen Siegfried Richter, Rudolf Levy, auf, einem Bruder von Selma Richter. Es geht um die Vermietung des Geschäftes und die Neufestsetzungen der Mieten des Wohn- und Geschäftshauses.  
Rechtsanwalt Stähler nimmt Gespräche mit dem Testamentsvollstrecker des verstorbenen Siegfried Richter, Rudolf Levy, auf, einem Bruder von Selma Richter. Es geht um die Vermietung des Geschäftes und die Neufestsetzung der Mieten des Wohn- und Geschäftshauses.  


Rechtsanwalt Stähler schlägt dem Testamentsvollstrecker Rudolf Levy und dem Buchhalter Brandt vor, einen arischen Mieter zu suchen, der einen monatlichen Zins von 1.000 bis 1.500 RM erzielen könnte. Überraschenderweise zieht die Bank ihren Pfändungsantrag zurück, Besitzer des Wohn- und Kaufhauses ist weiterhin die Erbengemeinschaft Richter. Aus den Akten im Stadtarchiv geht nicht genau hervor, welcher Mieter in den Jahren von 1934 bis [[1940]] zum Zuge kommt. Es spricht einiges dafür, dass Egbert Ter Veen die Immobilie im Jahr [[1937]] gemietet hat, es könnte aber auch schon 1934 gewesen sein. Im Jahre [[1940]] wird das jüdische Kaufhaus zwangsarisiert (enteignet) und geht an den Meistbietenden. Das ist Egbert Ter Veen mit 280.000 Reichsmark.
Rechtsanwalt Stähler schlägt dem Testamentsvollstrecker Rudolf Levy und dem Buchhalter Brandt vor, einen arischen Mieter zu suchen, der einen monatlichen Zins von 1.000 bis 1.500 RM erzielen kann. Überraschenderweise zieht die Bank ihren Pfändungsantrag zurück, Besitzer des Wohn- und Kaufhauses ist weiterhin die Erbengemeinschaft Richter. Aus den Akten im Stadtarchiv geht nicht genau hervor, welcher Mieter in den Jahren von 1934 bis [[1940]] zum Zuge kommt. Es spricht einiges dafür, dass Egbert ter Veen die Immobilie im Jahr [[1937]] gemietet hat, es könnte aber auch schon 1934 gewesen sein. Im Jahre [[1940]] wird das jüdische Kaufhaus zwangsarisiert (enteignet) und geht an den Meistbietenden. Das ist Egbert ter Veen mit 280.000 Reichsmark.


Das Kaufhaus Ter Veen wurde im 2. Weltkrieg zweimal ausgebombt und in der Nachkriegszeit von Ter Veen wieder aufgebaut, so gab es neben [[Müller-Hamm]] ein zweites Kaufhaus in Hamm.  
Das Kaufhaus Ter Veen wurde im Zweiten Weltkrieg zweimal ausgebombt und in der Nachkriegszeit von ter Veen wieder aufgebaut. Damit gab es neben [[Müller-Hamm]] ein zweites Kaufhaus in Hamm.  


Am [[19. April]] [[1951]] kam es zwischen der Erbengemeinschaft Richter und Kaufmann Egbert Ter Veen zu einem Vergleich.<ref>Text aus "Die Geschichte des Kaufhauses Richter/Ter Veen" mit freundlicher Genehmigung des Autors Hartmut Regenstein</ref>
Am [[19. April]] [[1951]] kam es zwischen der Erbengemeinschaft Richter und Kaufmann Egbert ter Veen zu einem Vergleich.<ref>Text aus „Die Geschichte des Kaufhauses Richter/Ter Veen“ mit freundlicher Genehmigung des Autors Hartmut Regenstein</ref>


<blockquote>In der Rückerstattungssache der Erben des Kaufmanns Siegfried Richter, früher in Hamm als Antragstellerin und dem Kaufmann Ter Veen, wohnhaft in der Bahnhofstr. 13 wird ein Vergleich geschlossen:  
<blockquote>In der Rückerstattungssache der Erben des Kaufmanns Siegfried Richter, früher in Hamm als Antragstellerin und dem Kaufmann Ter Veen, wohnhaft in der Bahnhofstr. 13 wird ein Vergleich geschlossen:  


* Grundstücke: Aufgrund der Zwangsversteigerung besteht kein Anspruch. Aber es besteht Anspruch auf Erstattung der Geschäftseinrichtung und des Warenlagers.  
* Grundstücke: Aufgrund der Zwangsversteigerung besteht kein Anspruch. Aber es besteht Anspruch auf Erstattung der Geschäftseinrichtung und des Warenlagers.  
* Der Antragsgegner zahlt an die Antragstellerin den Betrag von 50.000 DM und zwar 15.000 DM sofort und den Restbetrag von 35.000 DM in monatlichen Teilbeträgen von 2.000 DM. Der Restbetrag ist jährlich mit 5% zu verzinsen.
* Der Antragsgegner zahlt an die Antragstellerin den Betrag von 50.000 DM und zwar 15.000 DM sofort und den Restbetrag von 35.000 DM in monatlichen Teilbeträgen von 2.000 DM. Der Restbetrag ist jährlich mit 5 % zu verzinsen.
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In den 1960er-Jahren war ter Veen weit über die Grenzen der Stadt bekannt. Schönheitsköniginnen wie z. B. Mrs. Germany 1967, Fee v. Zitzewitz, waren - genauso wie die Baby-Elefanten des Zirkus Althoff - besondere Attraktionen in den Verkaufsräumen. In den Jahren [[2008]] und [[2009]] wurden im Zuge des Kaufhaussterbens in Deutschland mehrere Reportagen von WDR, ZDF, Deutschlandfunk und Sat.1 gedreht.<ref>web.archive.org</ref>
In den 1960er-Jahren war ter Veen weit über die Grenzen der Stadt bekannt. Schönheitsköniginnen wie z. B. Mrs. Germany 1967, Fee von Zitzewitz, waren genauso wie die Baby-Elefanten des Zirkus Althoff besondere Attraktionen in den Verkaufsräumen. Das Haus warb mit dem Wahlspruch „Alle geh'n zu ter Veen“ für sich in Prospekten und an der Fassade.
 
Im Jahr 1966 – ein Jahr vor seinem Tod – verkaufte Egbert ter Veen sein Kaufhaus an einen Münchner Kaufmann namens Ensmann. 1981 ging das Kaufhaus an Artur Teppler über. Sein Sohn Andreas wurde 1992 sein Nachfolger in der Geschäftsführung.<ref>vgl. Wiederaufbau in Etappen. Im Zweiten Weltkrieg wird das Kaufhaus komplett zerstört – Töpfe aus Waffen. Westfälischer Anzeiger vom 1. November 2007</ref>
 
In den Jahren [[2008]] und [[2009]] wurden im Zuge des Kaufhaussterbens in Deutschland mehrere Reportagen von WDR, ZDF, Deutschlandfunk und Sat.1 gedreht.<ref>web.archive.org</ref> Im September [[2018]] wurde dämm bekannt, dass auch ter Veen Mitte 2019 aufgeben würde, da sich das Geschäft nicht mehr lohnen würde. Nach einem mehrwöchigen Räumungsverkauf war der [[29. Juni]] [[2019]] schließlich der letzte offizielle Öffnungstag nach 112 Jahren.
 
In der darauffolgenden Woche vom 1. bis 6. Juli öffnete ter Veen noch letztmalig, um Restposten und Einrichtungsgegenstände zu verkaufen – allerdings nicht mehr unter dem Namen ter Veen, sondern über die TIG GmbH in Möhnesee, deren Geschäftsführer auch Andreas Teppler ist.<ref>Amtsgericht Arnsberg HRA 8248</ref>.
 
=== Verbleib und Nachnutzung ===
Für den letzten Eigentümer, Andreas Tepper, stand früh fest, dass die Immobilie nach Aufgabe des Geschäfts zeitnah abgerissen werden sollte, um die Nachbarschaft nicht mit einem Leerstand zu belasten. Eine Nachnutzung schied aufgrund des Sanierungsstaus im Gebäude und der veralteten Bausubstanz aus. Nach Aufgabe des Geschäfts war das Gebäude entkernt worden, Schadstoffe wurden dabei nicht gefunden.<ref name="WAde-2019-07-30" />
 
Über das Grundstück, das 1700 m² umfasst, schlossen Teppler und die Dudoq Real Estate GmbH (Aachen und Stuttgart) schon am 12. Dezember 2019 einen Kaufvertrag.<ref>[https://www.wa.de/hamm/ende-kaufhaus-aera-veen-besiegelt-investor-dudoq-real-estate-plant-zuegigen-abriss-neubau-hamm-13303818.html Wa.de vom 13. Dezember 2019]</ref>  


Im Jahr 1966 – ein Jahr vor seinem Tod – verkaufte Egbert Ter Veen sein Kaufhaus an einen Münchner Kaufmann namens Ensmann. 1981 ging das kaufhaus an Artur Teppler über. Sohn Andreas Teppler wurde 1992 sein Nachfolger in der Geschäftsführung.<ref> vgl. Wiederaufbau in Etappen. Im Zweiten Weltkrieg wird das Kaufhaus komplett zerstört – Töpfe aus Waffen. Westfälischer Anzeiger vom 1. November 2007</ref>
Anfänglich prüfte der Investor die Errichtung eines Hotels oder eines kombinierten Wohn- und Geschäftshauses.<ref name="WAde-2019-07-30">[https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/kaufhaus-veen-hamm-geschlossen-verkauf-immobilie-steht-bevor-hotel-nachfolger-moeglich-12871379.html Wa.de vom 30. Juli 2019]</ref> Im Dezember 2019 kolportierte man, dass die ''Ghotel Group'' dort ein Hotel der Kategorie 3-Sterne Superior mit 326 Betten in 148 Zimmern und 15 Apartments errichten wollte. Es hätte sich hierbei um den größten Hotelstandort in Hamm gehandelt – noch vor dem benachbarten [[Mercure]].<ref>[https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/ehemaligem-ter-veen-standort-hamm-neues-hotel-wird-2023-zimmern-hamms-groesster-herberge-13346811.html Wa.de vom 17. Dezember 2019]</ref>


Im September [[2018]] wurde bekannt, dass das Kaufhaus Mitte 2019 schließen würde. Andreas Teppler wollte die Immobilie verkaufen. Nach einem mehrwöchigen Räumungsverkauf war der [[29. Juni]] [[2019]] schließlich der letzte offizielle Öffnungstag.
Im März 2020 kündigte Dudoq Real Estate dann einen Abriss des einstiegen Kaufhauses für April 2020 an. Bereits der ursprüngliche Termin im März hatte man aufgrund des Ausbruchs der Corona-Pandemie nicht halten können.<ref>[https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/bagger-rollen-ter-veen-abriss-steht-unmittelbar-bevor-13630760.html Wa.de vom 27. März 2020]</ref> Doch zur Errichtung des Hotels kam es nie. Da die Ghotel Gruppe mit einem langfristigen Rückgang von Übernachtungen durch die Pandemie rechnete, nahm sie von ihrem Vorhaben Abstand, wie im Februar 2021 öffentlich wurde. Seitens Dudoq Real Estate wurde der Abriss weiter aufgeschoben, bis Klarheit über die neue Nachnutzung herrschen würde.<ref>[https://www.wa.de/hamm/hotel-kommt-doch-nicht-neue-plaene-fuer-die-ter-veen-flaeche-in-der-innenstadt-in-hamm-90210138.html Wa.de vom 18. Februar 2021]</ref> Die Schaufenster des Hauses wurden im Juli 2021 mit Graffitis neu gestaltet, sodass der Leerstand weniger augenfällig war.


In der darauffolgenden Woche vom 1. bis 6. Juli öffnete Ter Veen noch letztmalig, um Restposten und Einrichtungsgegenstände zu verkaufen – allerdings nicht mehr unter dem Namen Ter Veen, sondern durch die TIG GmbH in Möhnesee, deren Geschäftsführer auch Andreas Teppler ist.<ref>Amtsgericht Arnsberg HRA 8248</ref>.
Im April 2022 wurden schließlich aktualisierte Planungen zur Nachnutzung des Geländes durch Dudoq Real Estate bekanntgegeben. Vorgesehen sind gegenwärtig Seniorenwohnungen und ein Ladenlokal im Erdgeschoss. In die Planungen werden ferner die Parkplätze hinter dem ter Veen-Komplex mit einbezogen, um eine geschlossene Bebauung bis zu Neuen Bahnhofstraße zu erreichen. Der Abriss bleibt allerdings solange aufgeschoben, bis der Bauantrag für den Neubau eingereicht wird.<ref>[https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/kult-kaufhaus-ter-veen-in-hamm-nachnutzung-der-flaeche-steht-fest-91479672.html Wa.de vom 15. April 2022]</ref>


== Weitere Bilder ==
== Weitere Bilder ==
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== Ehemaliger Weblink ==
== Ehemaliger Weblink ==
* https://www.kaufhaus-terveen.de/
* kaufhaus-terveen.de


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Ehemalige Firmen]]
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[[Kategorie:Kaufhäuser]]‎
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